Badische Zeitung – 17

Badische Zeitung – 17. Juli 2009

 

Montserrat Caballé hat Deutschland lieb

 

Die katalanische Star-Sopranistin Montserrat Caballé eröffnet am Freitagabend das Schlossplatz-Openair zusammen mit dem Philharmonischen Orchester Freiburg. Friederike Marx telefonierte mit der 76-jährigen Operndiva, deren Stimme weltweit gefeiert wird.

BZ: Eine weltberühmte Opernsängerin kommt in die kleine Stadt Emmendingen. Was bedeuten Ihnen solche Konzerte?

 

Caballé: Es ist kein kleines Konzert. Es ist ein Konzert mit Orchester, bei dem ich das gleiche Programm singe, das ich auch in Berlin geben würde. Ich singe nicht hier größere und da kleinere Konzerte. Ich feiere dieses Jahr, dass ich seit 50 Jahren auf der Bühne stehe und damit auch, dass ich in Basel debütiert habe. Ich  habe drei verschiedene Programme: Zwei mit Orchester und eins mit Klavier.  Bei einem davon singe ich mit meiner Tochter. Gerade kommen wir aus Frankreich und Moskau zurück. Es ist eine große Freude für mich, in Deutschland zu singen. Die Leute haben mich so lieb und ich habe Deutschland sehr lieb. Das weiß ja jeder.

 

 

 

BZ: Die Menschen bewundern Sie für Ihr Piano. Bei welchem der Stücke, die sie in Emmendingen singen, kommt dies besonders zur Geltung?

Caballé: Bei verschiedenen. Zum Beispiel sind die Belcantostücke von Rossini durch ihre Expressivität sehr schön. Dann singe ich den romantischen Massenet: "La Vierge" ist eine fantastische Arie. Ich habe sie schon auf der ganzen Welt gesungen. Ich bin sicher, es wird den Menschen hier gefallen. Es folgen Catalani und Bizet mit Carmen. All diese sind ganz berühmte Kompositionen, die ich singe, um die verschiedenen Farben in die Stimme zu bringen: Forte, cantabile,  pianissimo. Ich versuche immer ein Programm zusammenzustellen, in dem alles dabei ist. Und am Ende kommen natürlich meine spanischen Sachen.

 

 

 

BZ: Ist der zweite Teil des Konzerts mit Caballero, Chapí, Giménez und Barbieri eine Hommage an Ihre Wurzeln?

Caballé: Nein. Aber man hat mich so oft gebeten, in meinen Konzerten spanische Musik nicht zu vergessen. Am Anfang meiner Jahre habe ich sie komischerweise nicht gesungen, aber nachdem man mich so oft gefragt hat, habe ich es doch getan. Die Leute wollen es hören. Vielleicht weil ich Spanierin bin, vielleicht weil ihnen die spanische Musik gefällt und sie ganz begeistert davon sind. Jedenfalls ist es immer schön, wenn man mich danach fragt. Übrigens gibt es in Emmendingen auch noch eine Überraschung.

 

 

 

BZ: Sie geben ein Openair-Konzert. Gefällt es Ihnen, draußen zu singen?

Caballé:
Ja, im Sommer ist es sehr schön. Man hat ein Fest und die Leute kommen, um sich zu amüsieren. Auch die Orchestermusiker haben Freude daran. Es ist wie ein musikalisches Picknick.

 



BZ: Sind Sie nach 50 Jahren auf der Bühne noch nervös vor dem Auftritt?

Caballé: Ja, immer. Viele sagen, sie seien nicht aufgeregt. Aber das glaube ich ihnen nicht. Du musst das Beste geben, was du hast. Das macht nervös. Aber wenn ich dann auf der Bühne stehe, die Leute sehe und die Musik anfängt, ist die Aufregung verschwunden. Du verlierst die Angst in dem Moment, wenn du die Musik hörst.

 



BZ: Was geben Sie Nachwuchs-Opernsängerinnen mit auf den Weg?

Caballé: Erstens: Viel Geduld! Man  sollte nicht zu rasch nach dem Erfolg streben, denn so macht man sich manchmal die Stimme kaputt. Zweitens: Viel Arbeit. Je mehr und je besser man die Technik lernt, desto größer die Sicherheit.  








Südkurier 14/01/2009

 

Südkurier 14/01/2009

Operndiva Montserrat Caballé im SÜDKURIER-Gespräch – 20. Januar Konzert in Friedrichshafen

Montserrat Caballés Karriere auf den bedeutendsten Opernbühnen der Welt währt seit über 40 Jahren. Der große Durchbruch gelang der in Barcelona geborenen Katalanin 1965 in der New Yorker Carnegie Hall, als Ersatz für die schwangere Marilyn Horn. Heute umfasst das Repertoire der 75-jährigen Sopranistin rund 80 Opernrollen und 800 Lieder. Mit dem SÜDKURIER sprach sie über das Geheimnis des Erfolgs, ihre Zusammenarbeit mit Freddie Mercury und der Gefahr steiler, aber kurzer Karrieren.

Wie haben Sie es geschafft, Ihre Stimme über so viele Jahre zu bewahren?

Ich weiß es selbst nicht. Ich nehme an, ich habe eine gute Technik. Ich habe immer versucht, keine Sachen zu singen, die nicht zu meiner Stimme passen. Und ich war vorsichtig, habe versucht, meine Stimme nicht zu verziehen. Aber eigentlich bin ich selbst überrascht.

Hat sich im Verlauf von Opernkarrieren etwas grundsätzlich verändert?

Ja. Als ich angefangen habe, war es undenkbar zu singen, bevor man die gesamte Ausbildung absolviert hatte. Sechs, sieben Jahre lernte man Technik, vier Jahre machte man sich nur mit Komponisten verschiedener Jahrhunderte vertraut. Man kann nicht Mozart wie Puccini oder Verdi wie Bellini singen. Dazu kamen noch einmal drei Jahre, in denen man auch lernte, den richtigen Ausdruck für die Dichter zu finden, die die Komponisten zu ihren Opern inspiriert haben. Da kamen zwölf, 13 Jahre zusammen. Eine Sängerin, die diese Ausbildung durchlaufen hatte, konnte mit jedem Dirigenten kommunizieren. Aber seit zehn, 15 Jahren stelle ich fest, dass das nicht mehr der Fall ist.

Sänger gehen nach fünf, sechs Jahren schon auf die Bühne. Sie haben Kenntnisse über die Musik, aber keine so tiefen. So ist es mit allem. Vielleicht sehen die Sänger die Gefahren nicht, die daraus resultieren: Mancher hat eine fantastische Stimme, aber in sechs oder acht Jahren ist er verschwunden. Geraten sie an eine Opernpartie, die nicht ganz genau auf ihre Stimme passt, beginnen die Probleme: Sie verzerren, müssen zum Arzt und so weiter. Junge Sänger sind heute sehr schnell an der Spitze, aber die Karrieren sind viel kürzer geworden. Als ich noch jung war, hat man uns gesangstechnisch auf einen höheren Stand gebracht – einen Stand, den alle großen Sängerinnen und Sänger hatten und aus dem sehr lange Karrieren hervorgegangen sind. Joan Sutherland etwa ist jetzt 81 Jahre alt, und sie zu hören, ist immer noch ein Traum.

Sie haben 1987 mit Freddie Mercury „Barcelona“ gesungen. War das eine mutige Entscheidung?

Ja, sehr mutig. Aber ich habe es natürlich auch wegen der Olympischen Spiele in Barcelona getan. Mein Mann hat empfohlen, etwas für junge Leute zu machen, und mein Bruder hat zu mir gesagt: ‚Freddie Mercury kommt immer in deine Konzerte, er ist ein Freund – fragen wir ihn!' Die Zusammenarbeit mit Freddie war für Barcelona eine gute Sache und auf der ganzen Welt ein Erfolg. Viele junge Leute sind danach in die Oper gegangen, und ich fand es toll, so viele Menschen für sie zu gewinnen, ihnen einen anderen Zugang zur Musik zu zeigen.

Wenn Sie Rollen singen, die Sie schon vor Jahren gesungen haben, gehen Sie dann anders heran?

Die Rollen, die ich heute singe, sind Rollen, die ich jetzt auch singen kann. Ich gehe immer mit dem gleichen Enthusiasmus, der gleichen Freude an sie heran. Letztes Jahr habe ich zwei neue Rollen gesungen, und das war fantastisch. Das Publikum erwartet von mir, dass ich immer etwas Neues mache. Im Lauf der Jahre ist das zu so etwas wie meinem Markenzeichen geworden. Sowohl in der Oper als auch in Konzerten habe ich immer nach Neuem gesucht. Es freut mich, dass ich dadurch der Musik nützlich war – etwa, indem sich heute so manche zusätzliche Oper auf den Bühnen findet. Mich hat angetrieben, nicht immer nur ‚La Boheme', ‚La Traviata' und ‚Manon' zu singen. Auch im Bereich des Belcanto habe ich versucht, mich für ganz unbekannte Opern einzusetzen. Rossini wurde ja reduziert auf ‚Rigoletto', Donizetti war ‚L'elisir d'amore'. Ihre anderen Opern waren vergessen. Vergessenes wieder populär zu machen, verleiht den Komponisten eine ganz andere Dimension.

Am 20. Januar geben Sie im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen ein Konzert mit Klavierbegleitung. Was schätzen Sie an derr kleinen Form, verglichen mit der großen Opernbühne?

Ein Liederabend ist sehr intim. Pianist und Sänger sind ein Paar; man offeriert sich dem Publikum als Duo, und natürlich ist man ihm dabei viel näher als in der Oper, wo zwischen dir und dem Publikum 30 Meter liegen und das Orchester dazwischen ist. Die Opernbühne ist wie ein Bild, auf dem sich der Sänger bewegt. Die Oper hat eine ganz andere Perspektive auf die Musik – es geht nicht um Intimität, sondern um die Handlung.

Welche Ihrer vielen Opernrollen beherrschen Sie heute noch auswendig?

Alle. Wenn du eine Oper machst, hast du nur zwei Tage Zeit, sie zu lesen, aber über die Jahre singst du sie hunderte Male. Es ist ganz normal, dass man sie dann kennt.

Gibt es denn eine goldene Regel, die Sie jungen Sängerinnen und Sängern mit auf den Weg geben können?

Geduld, vor allem am Anfang! Geduld ist der Schlüssel zum Erfolg. Mit dem Erfolg ist es wie mit dem Genuss bei einem guten Essen: Man muss sich Zeit lassen, damit er sich einstellt.